
Mit 75 Punkten Zwischenstand vor dem letzten Spieltag hat der FC Bayern in der Rückrunde einiges in die Wege geleitet. 39 Punkte hat sich Trainer Niko Kovac mit seinem Team erspielt und dabei alle anderen Mannschaften hinter sich gelassen. So wie man es eigentlich vom FC erwartet. Dennoch hinterlässt die Saison einen gewissen Beigeschmack, denn anfangs lief es gar nicht gut. Zwischenzeitlich, zu grauen Hinrundenzeiten, genauer nach dem 7. Spieltag, waren die Münchener bis auf den 6. Platz der Tabelle abgerutscht, hinter dem BVB, Leipzig, Gladbach, Bremen und der Hertha.
Hasan Salihamidzic ging in der vergangenen Woche sogar soweit zu sagen, dass die Leistung der Bayern, sofern die Meisterschaft noch geholt würde, höchstens eine 2+ sei – alles andere als eine gute Wertung für Münchener Verhältnisse. In diesem Artikel möchten wir einmal näher auf die unterschiedlichen möglichen Gründe und Auslöser eingehen, die dazu geführt haben könnten, dass der FCB in diese zweifelhafte Lage geraten ist.
Vertane Chancen
Man ist in Angesicht der Punktelage und der eindrucksvollen Aufholjagd der Bayern in der Rückrunde durchaus verleitet, die Schuld auf die Hinrunde zu schieben. Allerdings wird dadurch eine Tatsache verschleiert, die gerade in den letzten Spielen sehr deutlich zutage getreten ist: Die Münchener bekommen den Sack nicht zu. Zwar ist der FCB in den letzten dreizehn Partien ungeschlagen, allerdings gehören zu dieser Statistik drei Unentschieden, die die Wertung nachhaltig trüben. Es scheint ein wenig so, als hätte sich das Team vollkommen darauf konzentriert, die 9 Punkte Abstand zum BVB zu pulverisieren und wüsste anschließend nicht, was es danach tun sollte. Immer wenn der FCB die Möglichkeit gehabt hätte, gegenüber den Dortmundern einen deutlichen Vorsprung festzumachen, wollte sich dies nicht einstellen.
Unschlüssigkeit oder Ausruhen?
Die Frage bleibt, woran dies letztlich lag, dass immer wieder Chancen, den Sack zuzumachen und mit klarem Abstand auf die Meisterschaft zuzugehen, verspielt wurden. Gerade der 31. und 33. Spieltag in der jüngeren Vergangenheit zeigen dies sehr deutlich. Nach einer längeren Siegesserie, bei der der FCB Dortmund mit 5:0 und Düsseldorf mit 4:1 abgewatscht hatte, wurde es im Klassiker gegen Werder schon wieder knapp. Nur zu einem 1:0 brachte es der FCB als Gast im Weserstadion. Dann der Schock: In einer Situation, in der der erste Tabellenplatz mit nur einem Punkt Abstand (plus Gleichstand) hauchdünn war, landete der FCB ein Unentschieden, ausgerechnet gegen Nürnberg. Glücklicherweise verlor parallel der zweitplatzierte BVB gegen Schalke und punktete so gar nicht. Dennoch wäre gerade dies die Möglichkeit gewesen, den Sack zuzumachen. Nicht zu sprechen von der Gefahr, die eine (erwartete) Niederlage der Schalker bewirkt hätte.
Das Schwesternspiel gegen das zweite Team aus dem Tabellenkeller (Hannover 96) am Folge-Spieltag verlief glücklicherweise wieder in bekannter Manier. Damit bestätigte es Experten, Buchmacher und FCB-Fans gleichermaßen in ihren Erwartungen, dass sie es mit dem gleichen Verein zu tun haben, der nun zum 28. Mal Meister werden will. Danach war eigentlich wieder alles klar: Mit einem Sieg gegen Leipzig wäre die Meisterschaft perfekt gewesen, doch wieder war nur ein Unentschieden drin. Nun muss ausgerechnet Frankfurt Hilfe leisten, das letzte deutsche Team, das sich bis Mai überhaupt noch international behaupten konnte. Woran liegt es? Sind die Münchener zu unschlüssig, wenn es darum geht, den entscheidenden Schritt voranzugehen oder ruhen sie sich auf einem hauchdünnen Vorsprung aus? Beides entspricht ganz und gar nicht dem Bild, das Fans von ihrem Verein erwarten.
Rumgeeiere in der Trainerfrage
Gleichzeitig zeigte sich auch die Chefetage nicht von ihrer besten Seite. Gerade zum Saisonende wurden immer wieder die Gerüchte laut, Niko Kovac und der FCB könnten bald getrennte Wege gehen. Entsprechende Nachfragen trafen wiederholt auf wenig verbale Unterstützung für den Trainer. Man müsse sehen und niemand habe eine Jobgarantie beim FC Bayern – Sprüche wie diese halfen nicht, die Gerüchteküche abzukühlen und säten so sicherlich auch innerhalb des Teams und dessen näherem Umfeld Zweifel und Fragen bezüglich der unmittelbaren Zukunft des Vereins. Dementi von Brazzo, er habe sich in Madrid nicht mit Reals früherem Trainer Lopetegui und dessen Berater getroffen, halfen da auch nur wenig.
Dabei gibt es zahlreiche Gründe, Kovac über den Klee zu loben. 39 Punkte Gewinn in der Rückrunde und das in seinem ersten Jahr und mit einem Kader, der sich im Umbruch befindet, sind wirklich beeindruckend. Auch der Pokalsieg am 25. Mai ist noch immer zum Greifen nah. Schaut man parallel auf den FC Liverpool mit Trainer Jürgen Klopp, sprechen viele bereits von Statuen und glorifizieren den Schwaben als Lichtgestalt des Fußballs. Dabei demonstriert er zwar eine starke Leistung in der Champions-League, in der Premier League hingegen hat sich Man City den Titel inzwischen gesichert und Liverpool auf den zweiten Platz verwiesen.
Generell ist es immer einfach, die Trainer für eine durchwachsene Leistungsdemonstration der Spieler verantwortlich zu machen, doch letztlich haben sie heutzutage immer weniger Durchsetzungsrecht und müssen gerade in ihrer Anfangsphase häufig mit dem arbeiten, was aktuell eben da ist. So ist ein großer Schatten bei Weitem nicht das einzige, was bei den Bayern von Pep Guardiola übriggeblieben ist.
Fatal international
Möglicherweise zeigt sich die Misere wesentlich deutlicher im internationalen Vergleich. Während der deutsche Fußball im vergangenen Jahrzehnt florierte und andere Mannschaften zu den Profis in Deutschland emporblickten, hat sich dies sehr deutlich verschoben. Inzwischen sind die Engländer, Italiener und Spanier klar an Deutschland vorbeigezogen und in der Fünfjahreswertung steht der DFB nur noch auf Angstplatz 4. Der gesamte UEFA Wettbewerb wird aktuell ausschließlich unter englischen Teams ausgetragen, drei davon stammen aus der britischen Hauptstadt. Deutschland hat sich in dieser UEFA-Saison keinesfalls mit Ruhm bekleckert. Gerade in der Champions-League war dies besonders stark erkennbar, als bereits nach dem Achtelfinale alle deutschen Teams, darunter eben auch der FC Bayern, ausgeschieden waren.
Fazit
International wird also deutlicher, woran es liegen könnte, dass Bayern München in dieser Saison nicht das leisten konnte, was man eigentlich von dem Verein erwarten würde. Der gesamte deutsche Fußball befindet sich aktuell in einem Abwärtstrend, der sich besonders im internationalen Vergleich zeigt. Nach einer mehr als durchwachsenen Hinrunde in der ersten Bundesliga konnte sich der FC allerdings zumindest daheim wieder berappeln und steht aktuell sowohl auf Platz 1 für die Meisterschaft als auch im Finale des DFB Pokals. Das Double ist also durchaus noch in greifbarer Nähe. Und mal ganz ehrlich: Auch mit der Note 2+ kann man leben und nach der Saison ist bekanntlich immer wieder vor der Saison.
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